15. Januar 1919: Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht fand am Ende des so genannten “Spartakusaufstand” oder “Januaraufstand” statt. Damit wird der Generalstreik und die bewaffneten Kämpfe in Berlin vom 5. bis 12. Januar 1919 bezeichnet, mit deren Niederschlagung die Novemberrevolution endete. Der erste Begriff hat sich dafür eingebürgert, obwohl der Spartakusbund beziehungsweise die KPD diesen Aufstand weder plante und auslöste noch führte und erst nach seinem Beginn daran mitwirkte.

Auslöser des „Aufstands“ war die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD) durch den Rat der Volksbeauftragten unter Führung Friedrich Eberts am 4. Januar 1919. Eichhorn war rechtmäßig vom ersten Rat der Volksbeauftragten ernannt worden. Dieser war am 9. November 1918 aus je drei Vertretern der MSPD und USPD als provisorische Reichsregierung gebildet und von der OHL im geheimen Ebert-Groener-Pakt akzeptiert worden. Bei den Weihnachtskämpfen hatte die Volksmarinedivision, die zum Schutz der Übergangsregierung beauftragt war, Otto Wels (MSPD) am 23. Dezember 1918 als Geisel festgenommen, um ihrer Forderung nach Auszahlung des ausstehenden Solds Nachdruck zu verleihen. Eichhorn hatte sich am 24. Dezember gegen den Befehl der drei MSPD-Volksbeauftragten Ebert, Philipp Scheidemann und Otto Landsberg geweigert, die ihm unterstehende Sicherheitswehr gegen die im Berliner Schloss einquartierte Volksmarinedivision einzusetzen, um Wels zu befreien. Seitdem hatte Ebert ihn als unzuverlässig angesehen. Die drei USPD-Vertreter (Hugo Haase, Wilhelm Dittmann, Emil Barth) hatten den Rat der Volksbeauftragten am 29. Dezember 1918 aus Protest gegen Eberts Schießbefehl und die Todesopfer bei den Weihnachtsunruhen verlassen. Die MSPD-Vertreter beriefen daraufhin ohne Rechtsgrundlage die MSPD-Mitglieder Gustav Noske und Rudolf Wissell als Ersatz in den restlichen Rat. Die USPD betrachtete diesen nicht mehr als rechtmäßige Übergangsregierung. MSPD-Mehrheiten im Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte Großberlin und im Zentralrat der Deutschen Sozialistischen Republik stimmten Eberts Wunsch, Eichhorn abzusetzen und auch den preußischen Ministerpräsidenten Paul Hirsch (MSPD) zu entlassen, jedoch zu.

Die eigentliche Ursache des Januaraufstands waren die gegensätzlichen politischen Ziele und Methoden der an der Novemberrevolution beteiligten Gruppen: Eine große Mehrheit des Reichsrätekongresses hatte am 16. Dezember 1918 die baldige Durchführung freier Wahlen für eine Nationalversammlung und die Selbstauflösung der aus der Revolution hervorgegangenen Arbeiter- und Soldatenräte beschlossen, um die politischen Errungenschaften der Revolution durch eine parlamentarische Demokratie zu legitimieren. Zugleich hatte der Kongress die sofortige Sozialisierung einiger kriegswichtiger Industriezweige und Kontrolle des Militärs beschlossen. Die USPD und die Spartakisten wollten letztere Beschlüsse vor den Wahlen umsetzen. Weil die MSPD diese Umsetzung verhindern wollte und auch die Mehrheit der USPD-Mitglieder eine Fortsetzung der Revolution zur Umsetzung der Sozialisierungsbeschlüsse ablehnte, hatten der Spartakusbund und weitere linkssozialistische Gruppen am 1. Januar 1919 die KPD gegründet. Diese strebte eine Räterepublik an, die sie als Produkt der Revolution, also Ausdruck eines Mehrheitswillens der Bevölkerung ansah, und lehnte die Auflösung der Räte und Teilnahme an den bevorstehenden Wahlen zur Nationalversammlung ab.

Seit Anfang Dezember 1918 wurden in und um Berlin Freikorps aus ehemaligen Frontsoldaten und Freiwilligen gebildet. Seit Jahresbeginn ließ Ebert sie zusammen mit republiktreuen Verbänden wie der republikanischen Soldatenwehr und kaiserlichen, teils loyalen, meist aber republikfeindlichen Regimentern um Berlin zusammenziehen.

Am 4. Januar wurde der Berliner Polizeipräsident Emil Eichhorn entlassen. Die Entlassung wurde von der radikalen Linken als Provokation angesehen. Noch am gleichen Tage beschlossen der Vorstand der Berliner USPD zusammen mit den Revolutionären Obleuten für den folgenden Tag eine Demonstration durchzuführen. Während der Demonstration besetzten bewaffnete Demonstranten die Druckereien des sozialdemokratischen Vorwärts und des Berliner Tageblatts sowie die Verlagsgebäude von Scherl, Ullstein, Mosse, die Druckerei Büxenstein und das Wolffsche Telegraphenbüro.[3]

Die Obleute waren frei gewählte, von den Gewerkschaften unabhängige Betriebsräte. Sie hatten sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs vor allem in den Berliner Rüstungsbetrieben gebildet und u. a. den Januarstreik 1918 durchgeführt. Als Kriegsgegner hatten sie sich überwiegend der USPD angeschlossen und lehnten die Mitgliedschaft in der am 1. Januar 1919 neu gegründeten KPD ab. Die meisten von ihnen unterstützten die Besetzung des Berliner Zeitungsviertels, aber zwei ihrer Sprecher, Richard Müller und Ernst Däumig, lehnten diese ab. Beide befürworteten eine zweite Revolution gegen den Rat der Volksbeauftragten zwar grundsätzlich, hielten aber den Zeitpunkt für verfrüht und taktisch unklug.

Die Führungen von USPD und KPD beschlossen rasch, die begonnene Besetzung zu unterstützen. Besetzer und Parteienvertreter bildeten am Abend des 5. Januar einen etwa 50-köpfigen „Revolutionsausschuss“. Dieser rief die Berliner Bevölkerung am Folgetag zu einem Generalstreik für den 7. Januar und zum Sturz der Restregierung Eberts auf. Dem Aufruf folgten etwa 500.000 Menschen, die in die Innenstadt strömten. Eine große Menschenmenge sammelte sich auf einem der Berliner Plätze. Sie nahm in den Folgetagen weder an Kämpfen teil noch wurde sie von den Streikführern beteiligt, obwohl sie wie schon am 9. November 1918 zum Entwaffnen der Soldaten bereit war. Auf ihren Plakaten und Spruchbändern standen zum Teil dieselben Parolen wie zu Beginn der Novemberrevolution: „Frieden und Einigkeit“.

In den folgenden zwei Tagen konnte sich der Ausschuss nicht auf das weitere Vorgehen einigen. Einige Vertreter forderten den bewaffneten Aufstand, andere plädierten für Verhandlungen mit Ebert. Die Hausbesetzer erhielten Waffen. Der KPD-Führer Karl Liebknecht befürwortete gegen den Rat von Rosa Luxemburg den Versuch, den Rat der Volksbeauftragten mit Waffengewalt zu stürzen und damit die für den 19. Januar angesetzten ersten freien Wahlen zur Nationalversammlung zu verhindern. Er fürchtete, die KPD könnte sich andernfalls zu sehr von den Arbeitern isolieren, die den Sturz der Regierung anstrebten. Zugleich versuchten die KPD-Vertreter, einige der in Berlin stationierten Regimenter, vor allem die Volksmarinedivision, auf ihre Seite zu ziehen. Dies gelang jedoch nicht, weil die meisten der Soldaten bereits zu Hause waren und ihre Loyalität dem bisherigen Rat der Volksbeauftragten galt. Ebenso stellte sich ein Teil der Berliner Bevölkerung hinter die Regierung Ebert, folgte einem Streikaufruf und sicherte Regierungsgebäude seit dem 6. Januar als lebende Schutzschilde.

Ab dem 6. Januar verhandelte der Revolutionsausschuss auf Vermittlung der USPD-Leitung mit Ebert. Am 7. Januar scheiterten die Verhandlungen an der beiderseitigen Kompromissunfähigkeit, die Chance zur gewaltfreien Beilegung des Konflikts war vertan. Am selben Tag übergab Ebert Gustav Noske den Oberbefehl über die Truppen in und um Berlin, und es ergingen Aufrufe zur Aufstellung weiterer Freikorps in Berlin. Noske befahl gleich nach seiner Ernennung, alle Mitglieder des Revolutionsausschusses telefonisch überwachen zu lassen, um sie später festzunehmen. Dazu wurden 50 ausgesuchte Offiziere in allen Berliner Postämtern eingesetzt.

Am 8. Januar forderte der Rat der Volksbeauftragten die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Aufständischen und deren beabsichtigte Regierungsübernahme auf und veröffentlichte ein Flugblatt mit dem Titel: „Die Stunde der Abrechnung naht!“ Darin wurde den Aufständischen mit physischer Vernichtung gedroht. Am 9. Januar 1919 verlangten die Revolutionären Obleute, der Zentralvorstand der Berliner USPD und der KPD in einem gemeinsamen Aufruf den Kampf gegen „die Judasse in der Regierung. […] Sie gehören ins Zuchthaus, aufs Schafott. […] Gebraucht die Waffen gegen eure Todfeinde.“

Am 10. Januar überfiel die Brigade Reinhard unter Leitung des Kommandanten von Berlin Oberst Wilhelm Reinhard das spartakistische Hauptquartier in Spandau. Am 11. Januar gab Noske den Einsatzbefehl gegen die Besetzer des Vorwärts. Die Angreifer waren noch mit Kriegsausrüstung bewaffnet und ihren Gegnern daher weit überlegen. Das Freikorps Potsdam eroberte das Gebäude mit Flammenwerfern, Maschinengewehren, Mörsern und Artillerie. Auch weitere besetzte Gebäude und Straßen im Zeitungsviertel wurden bis zum 12. Januar erobert. Zu organisierten Schlachten kam es nicht, da die Aufständischen nicht darauf vorbereitet waren; vielfach ergaben sie sich freiwillig. Dennoch erschoss das Militär über hundert Aufständische und eine unbekannte Zahl von unbeteiligten Zivilisten vor Ort, darunter etwa den Arbeiterdichter Werner Möller. Ein Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags bezifferte die Zahl der Todesopfer später auf 156. Die Militärs hatten dreizehn Gefallene und zwanzig Verwundete.

Am 13. Januar rückten die umliegenden Freikorps in die Stadt ein. Das größte von ihnen war die so genannte Garde-Kavallerie-Schützen-Division unter dem Offizier Waldemar Pabst, der im Krieg General Hans von Seeckt unterstand. Die Berliner Zeitungen begrüßten den Einzug nach Ende der Kämpfe als Wiederherstellung von „Ruhe und Ordnung“. Der militärischen Besetzung folgten erhebliche Gewaltexzesse der rechtsgerichteten Truppen, die weit über vorherige Gewalttaten einiger Linken hinausgingen.

Seit Anfang Dezember 1918 hatte die Antibolschewistische Liga Plakate und Aufrufe an die Berliner Bevölkerung drucken lassen, die dazu aufforderten, die „Rädelsführer“ ausfindig zu machen und den Militärs zu übergeben. Dafür hatte sie eine hohe Belohnung ausgesetzt. Ein in hoher Auflage verbreitetes Flugblatt forderte:

„Das Vaterland ist dem Untergang nahe. Rettet es! Es wird nicht von außen bedroht, sondern von innen: Von der Spartakusgruppe. Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten.“

Nach dem Niederschlagen des Aufstands mussten die Führer der Spartakisten um ihr Leben fürchten und untertauchen. Nun suchte auch die reguläre Regierung sie als vermeintliche Putschisten, um sie wegen des Umsturzversuchs kurz vor den freien Wahlen zu belangen. Im Berliner Vorwärts erschien am 13. Januar 1919 ein Gedicht von Artur Zickler, das mit den Zeilen endete:

„Viel Hundert Tote in einer Reih’ –
Proletarier!
Karl, Rosa, Radek und Kumpanei –
es ist keiner dabei, es ist keiner dabei!
Proletarier!“

Fritz Henck, der Schwiegersohn Philipp Scheidemanns, versicherte am 14. Januar in Berlin öffentlich, die Anführer des Aufstands würden „nicht ungeschoren davonkommen“. Schon in wenigen Tagen werde sich zeigen, „daß auch mit ihnen Ernst gemacht wird.“

Am 15. Januar abends wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in der Wohnung eines Freundes, Dr. Markussohn, in Berlin-Wilmersdorf von der Wilmersdorfer Bürgerwehr entdeckt, verhaftet und in das Eden-Hotel gebracht. Ihr Aufenthaltsort war wahrscheinlich durch die von Noske befohlene Telefonüberwachung bekannt geworden.[15] Waldemar Pabst ließ die Gefangenen stundenlang verhören und misshandeln. Ein weiterer verhafteter KPD-Führer, Wilhelm Pieck, wurde Zeuge dieser Misshandlungen sowie von Telefonaten; eines davon führte Pabst wahrscheinlich mit der Reichskanzlei.

Der Mord sollte wie ein Attentat aussehen. Der Soldat Otto Runge (1875–1945) versetzte aus der Menge heraus Rosa Luxemburg beim Abtransport vom Hotel einen schweren Kolbenschlag. Bereits bewusstlos, wurde sie dann unterwegs im Wagen von Leutnant zur See Hermann Souchon mit einem aufgesetzten Schläfenschuss erschossen. Die Tote wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen, wo man die Leiche erst am 31. Mai 1919 fand. Liebknecht wurde kurz nach Rosa Luxemburg ebenfalls vom Hotel abtransportiert und fast bewusstlos geschlagen; er musste unterwegs aussteigen und wurde dann als „Flüchtender“ von hinten erschossen. Der Tote wurde einer Berliner Polizeistation als „unbekannte Leiche“ übergeben. Pieck erreichte, dass er in ein Gefängnis verlegt werden sollte; auf dem Weg dorthin gelang ihm die Flucht.


Quelle: Wikipedia, Artikel “Spartakusaufstand
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